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Gemeinsame Tafel "Volksdeutsche Landsmannschaften"

Die "Volksdeutschen Landsmannschaften" beziehen sich auf ein geschichtliches Konstrukt, das sie selbst in die Welt gesetzt haben: die Stilisierung als eine eigene völkische Einheit, als "Volksgruppe", die außerhalb von Deutschland und Österreich auf den "Schollen im östlichen Raum" angesiedelt war. Diese völkisch-nationalistische Konstruktion war die legitimatorische Basis für die NS-Außenpolitik im Hinblick auf die Destablisierung, Zerschlagung und Besetzung der mittel-osteuropäischen Staaten (insbesondere im Fall der Tschechischen Republik). Es ist wichtig einen Unterschied zwischen den tatsächlichen geschichtlichen Hintergründen einer deutschsprachigen Bevölkerung, vor allem auf den Gebieten des heutigen Polens, Tschechiens, Ungarns, Rumäniens und den Teilstaaten Ex-Jugoslawiens und dem Selbstbild der Volksdeutschen Landsmannschaften zu machen.

landsmannschaften

Nach dem Ende des 2.Welkriegs und dem Bekannt werden des vollen Umfangs der Shoa und der massiven Beteiligung der "Volksdeutschen" jenseits des eigentlichen, deutschen "Reichsbodens", an den Verbrechen des Nationalsozialismus, gründeten sich in Österreich und Deutschland verschiedene "Landsmannschaften" als Interessensorganisationen der so genannten "Vertriebenen". Die Interessen die es zu vertreten galt lagen auf der Hand, zum einen musste die eigene Schuld negiert, zum anderen das eigene Opfer möglichst tragisch dargestellt werden. Diese Ströngen liefen 1950 in der Verkündung der "Charta der Heimatvertrieben" (unterzeichnet von den Vorsitzenden der einzelnen "Landsmannschaften", die fast ausnahmslos hochrangige Nazis gewesen waren) zusammen. Die Ursachen für die Umsiedlungspolitik der unmittelbaren Nachkriegszeit, also der Angriffskrieg Deutschlands und die Vernichtung der europäischen Juden und Jüdinnen, und die geplante NS-Politik gegenüber der slawischen Bevölkerung blieben komplett unerwähnt. So heißt es im ersten Punkt: "Wir Heimatvertriebenen verzichten auf Rache und Vergeltung (sic!). Dieser Entschluß ist uns ernst und heilig im Gedenken an das unendliche Leid, welches im besonderen das letzte Jahrzehnt über die Menschheit gebracht hat." Dieses großzügige Angebot wurde in der Bundesrepublik Deutschland noch bereitwilliger angenommen als in Österreich, die Vertriebenenverbände wurden mitsamt ihren Mitgliedern politisch, ökonomisch und kulturell erfolgreich integriert und der ganze Prozess als eines der großen Nachkriegswunder verstanden und verkauft. Die Geschichte und Geschichtchen um Vertreibung, Leid und Tod sind neben den Schrecken des Krieges generell, die am stärksten tradierten Bezüge im deutschen, kollektiven Gedächnis. Gesetzlich sind die Ansprüche der "Vertriebenen" prominent im Grundgesetz und im Bundesvertriebenengesetz vom 1.1.1993 geregelt.

Dabei wird von staatlicher Seite ignoriert, wessen Geistes Kind die einzelnen "Landsmannschaften" und ihre Dachverbände in Österreich und Deutschland sind. Neben moderateren Gruppierungen des Spektrums, wie etwa der Ackermann Gemeinde, die eher auf eine länderübergreifende Verständigungspolitik setzt, stehen die Dachverbände, der Bund der Vertriebenen (BdV) und der Verband der Volksdeutschen Landmannschaften in Osterreich (VLÖ), weit rechts. Dabei wird sich bei weitem nicht nur auf eine völkische Heimatdoktrin, die Blut, Boden und Trachtentraditionen verherrlicht, bezogen, sondern auch dezidiert auf neu-rechte Themen bezug genommen. So stellt etwa der Witikobund als, o-ton, "nationale Gesinnungsgemeinschaft der Sudetendeutschen", einen Knotenpunkt zur rechtsextremen Szene dar.

Die zentralen Forderungen der "Landsmannschaften" sind damit sowohl rückwärts gewandt als auch zukunftsorientiert: die Aufhebung der Bestimmungen, die nach 1945 die Umsiedlung der deutschsprachigen Bevölkerung regelte und weitgehende Entschädigungen, die von den (Nachfolge-) Staaten der ehemaligen Siedlungsgebiete aufgeracht werden sollen. Und damit geht immer einher: die Anerkennung der Singularität des Vertriebenen Leids, welches mit dem Wegsterben der "Erlebnisgeneration" übrigens nicht vom Erdboden verschwindet, VertriebenEr ist man über die Generationen hinweg. Der Nachwuchs in Form der "Bekenntnisvertriebenen" steht bereits Waffe bei Fuß.

Quellen:
Erich Später, Gez. NSDAP, SA und SS, in: Konkret 04/05/10 2004
Erich Später, Kein Friede mit Tschechien - Die Sudetendeutschen und ihre Landsmannschaft, Hamburg 2005
Samuel Salzborn, Grenzenlose Heimat. Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Vertriebenenverbände, Berlin 2000
Witikobund: extrem rechts, auf: www.klick-nach-rechts.de
Stefanie Mayer, "Totes Unrecht?", Die "Benes-Dekrete" im medialen Diskurs - zwischen völkischem Denken und kritisch-wissenschaftlicher Aufarbeitung, in: Völkische Bande, Dekadenz und Wiedergeburt - Analysen rechter Ideologie, Münster 2005

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