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Antifaschistischer Stadtspaziergang 2006

Am 16. September 2006 lädt der AK gegen den Kärntner Konsens zum antifaschistischen Stadtspaziergang durch Klagenfurt/Celovec. Wir werden Halt machen an Orten der TäterInnen, der MörderInnen, an Stellen, an denen positiv an die NS-Zeit erinnert wird, an die Bombenopfer und die umgekommenen deutschen und österreichischen Soldaten. Mit keinem Wort wird an diesen Orten Leid, Angst, Schrecken und die unvorstellbaren Qualen derer benannt, gegen die der NS-Staat mit aller Härte vorging. Neben diesen "Gedenk"orten an denen die revisionistische Umdeutung der Vergangenheit offensichtlich wird, gibt es in Klagenfurt/Celovec aber auch Orte, die Schauplätze nationalsozialistischer Verbrechen waren. Dies sind auch Orte der Opfer, die von der SS, der Wehrmacht oder der Zivilbevölkerung auf der Straße, in Gefängnissen und Konzentrationslagern gedemütigt, gequält, gefoltert, ermordet worden sind. Wir wollen mit dem Rundgang durch Klagenfurt/Celovec an manchen dieser Orte halt machen, der Opfer gedenken und uns an die Verbrechen erinnern, sie ins Gedächnis rufen und dadurch eins verhindern: dass sie je vergessen werden, dass mit der Schlussstrichdebatte alle mörderischen Details der Verbrechen der NS-Schergen für abgeschlossen erklärt werden.

Nicht zuletzt wollen wir aufzeigen, wie in dieser Stadt an die Zeit erinnert wird, in der so viele Menschen in Konzentrationslager ermordet wurden, die industrielle Massenvernichtung von Jüdinnen und Juden zum höchsten ideologischen Ziel des NS-Staats erhoben und wertes Leben von unwertem Leben unterschieden wurde.

Der antifaschistische Widerstand der slowenischen PartisanInnen wird in der offiziellen Kärntner Geschichtsauffassung zum jugoslawisch-nationalistisch inspirierten Verbrechen umgelogen; die eigentlichen Opfer, welche durch Repression und Zwangsaussiedelung - bedingt nur durch die Zugehörigkeit zur slowenischen Volksgruppe - ihr Hab, Gut und ihr Leben verloren, werden zu TäterInnen gemacht, die den deutschsprachigen KärntnerInnen Angst und Schrecken einjagten. Kein Wort dazu, dass der militärische Widerstand der PartisanInnen der bemerkenswerteste und stärkste Versuch auf österreichischem Boden war, den Nationalsozialismus zu bekämpfen. Kein Wort darüber, dass Menschen oft nur aufgrund ihrer slowenischen Herkunft in KZs kamen und dort ermordet wurden. Kein Wort über die Enteignung und Vertreibung der slowenischen Minderheit, kein Wort über die Überfälle der SS auf entlegene Höfe und kein Wort zu den Massakern, die sie dort an Kindern, alten Menschen, Männern und Frauen verübten.

Eine unserer Stationen wird das Denkmal der Opfer der Kärntner Partisanen sein. Dieser viereckige Steinklotz auf dem zentral gelegenen Domplatz in der Klagenfurter Innenstadt soll an die 'von jugoslawischen Partisanen verschleppten Kärntner' erinnern. Einmal im Jahr - bei 'besonderen' Anlässen auch öfter - gedenken der rechtsextreme 'Kärntner Heimatdienst' (KHD) und seine Schwesterorganisation, der nicht minder deutschnationale 'Kärntner Abwehrkämpferbund' (KAB), mit einer pompösen Zeremonie der 'Opfer des Partisanenterrors gegen Kärnten'. Dieses Erinnern an sogenannte 'Opfer', welche als Angehörige der Wehrmacht oder SS Teil des NS-Regimes waren und Mitschuld an der Ermordung von vielen Millionen Menschen trugen, spiegelt das Geschichtsbewusstsein des 'offiziellen Kärntens' wider. Die früheren TäterInnen, ohne die Diffamierung, Verrat, Festnahmen, Folterungen bis hin zur industriellen Massenvernichtung in den Konzentrations- und Vernichtungslagern nicht möglich gewesen wären, werden zu Opfern stilisiert, die sie nie waren.

Da irritiert es umso mehr, wenn am 8. Mai - dem Tag der bedingungslosen Kapitulation Großdeutschlands und damit der Befreiung vom Nationalsozialismus durch die Alliierten - rechte Organisationen wie der KHD oder der KAB am Domplatz Kränze niederlegen und ihrer Toten gedenken wollen. Denn wenn die alten und neuen Kameraden heute davon sprechen, dass 'Kärnten ein Opfer des Nationalsozialismus gewesen sei', so ist das nichts anderes als eine Verhöhnung aller Opfer des Holocausts. Das NS-Regime führte nicht einfach einen 'Krieg', in welchem Menschen starben, vielmehr wurde eine durchorganisierte Tötungsmaschinerie installiert, die eben auch durch die breite Unterstützung in der Bevölkerung ihresgleichen sucht.

Der Kampf der PartisanInnen gegen die NS-Diktatur ist daher gebührend zu würdigen - Denkmäler, welche an die großartigen und wichtigen Kämpfe der WiderstandskämpferInnen erinnern, findet mensch allerdings in Klagenfurt/Celovec nicht. (Quelle: www.vstani.at.tt)

In der österreichischen und speziell auch in der Kärntner Erinnerungskultur werden deutsche und österreichische Soldaten zu Helden stilisiert, die für Heimat, Vaterland und Freiheit das taten, was auch jetzt noch von pflichtbewussten Soldaten erwartet wird: zu gehorchen und Befehle nicht zu hinterfragen. Die Soldaten von damals taten nur ihre Pflicht - darum gelten auch heute im offiziellen Geschichtsbild ehemalige Wehrmachtsangehörige nicht als Kriegsverbrecher. Denn - schenken wir den vielen kleinen Tafeln und Denkmälern auf öffentlichen Plätzen in ganz Österreich und Deutschland Glauben - die Soldaten der Wehrmacht waren vor allem auch eins: Opfer. Opfer eines verrückt gewordenen Befehlshabenden, einer Ideologie, die junge und alte Männer zum Kämpfen nach Russland, Polen oder sonst wohin schickte, Kanonenfutter. Durch die Eingliederung von Soldaten in den hierarchischen Kontext einer Armee, welche von oben Befehle empfängt, diese durch Ranghöhere bis ans niedrigste Glied ihrer Kette weitergibt, wird blinder Gehorsam zur obersten Maxime. Die Wehrmacht folterte, quälte, vergewaltigte und tötete Menschen aber nicht nur, weil es befohlen wurde, sondern auch, weil sie überzeugt waren von der nationalsozialistischen Ideologie, weil sie an den 'Endsieg' des deutschen Volkes gegen die 'jüdisch-bolschewistische' Bedrohung glaubten und an die Übermenschen, die sie selber sein wollten und für die sie kämpften. Und auch, weil es nun mal Aufgabe von Soldaten ist zu morden und zu töten. Soldaten waren, sind und werden daher niemals Opfer sein, sondern stets Mörder bleiben. Tucholsky hat noch immer Recht.

Eine weitere Station unseres antifaschistischen Spaziergangs wird die Kärntner Landesgedächtnisstätte sein, welche sich am Fuß des Kreuzbergs befindet, der nach der spätbarocken Kreuzweganlage benannt ist. Aus diesem Kreuzweg wurde Mitte der 50er Jahre die sogenannte 'Landesgedächtnisstätte' mit dem Zweck an 'alle Opfer der Kriege' zu erinnern. Dieses beliebte Klagenfurter Postkartenmotiv stellt einen Kreuzweg im nationalsozialistischen Sinn dar - die Leiden Jesu werden identifiziert mit 'dem einfachen Schlachtfeldsoldaten', 'dem U-Bootfahrer', 'dem unbekannten Soldaten'. Weitere Stationen sind allen erdenklichen Opfern des Krieges, welche im Sinne eines revisionistischen Geschichtsbilds als solche gedeutet werden können, gewidmet - z.B. 'den Pflegeschwestern im Kriege' oder den 'leidenden Müttern'. Auf der Begleittafel am Beginn des Kreuzweges ist als Erläuterung zur Anlage zu lesen: 'In einer etwas anders gerichteten Deutung ergibt die Zusammenschau der vier Symbole* die Grundzüge des Christuslebens: Menschwerdung - Kampf - Opfertod - Endsieg. In dieses Erlöserleben miteinbezogen ist aber auch das Schicksal des Menschen und der Menschheit in seiner gottgewollten Entfaltung: Geburt - Lebenskampf - Lebensopfer - Lebenssieg.' Die nationalsozialistische Konnotation des Kreuzweges ist kaum zu übersehen, Sinn und Zweck der Menschheit erscheint nach dieser Interpretation darin zu liegen, zu kämpfen, sein Leben zu opfern und den 'Endsieg' zu erringen. Die NS-Ideologie wird durch diese Deutung der Passion Christi auf den Punkt gebracht.

Was im Bereich der 'Landesgedächtnisstätte' fehlt, sind Hinweise auf den Holocaust oder den nationalsozialistischen Staatsterror - erinnert wird hier lediglich an die 'eigenen Opfer', welche in Erfüllung des Lebenssinns ('Kampf') erbracht wurden ('Opfertod') - und das, obwohl eine der vielen Hinrichtungsstätten der NS-Zeit nur einige 100 Meter von der 'Landesgedächtnisstätte' entfernt ist. Am Gelände des ehemaligen Schießstandes wurden allein zwischen September 1944 und April 1945 sechzehn Wehrmachtsdeserteure von Erschießungskommandos der NS-Militärgerichtsbarkeit ermordet.

Über dem Kreuzweg thront die Kreuzberglkirche, welche mit diesem eine architektonische Einheit bildet. Der sakrale Charakter der gesamten Anlage ist allerdings trotz der nationalsozialistischen Prägung des Kreuzweges sehr dominant und vielleicht sind darin die Gründe zu finden, warum die Veteranenverbände, Heimatdienst und Co die 'Landesgedächtnisstätte' nicht in dem Maße würdigen, wie die ErrichterInnen es gewünscht hätten. In der regionalen Öffentlichkeit haben die selten organisierten Gedenkveranstaltungen kaum bis keine Bedeutung. Ganz anders bei der Heimkehrergedenkstätte am Ulrichsberg, bei welcher der kirchliche Charakter für die alten und neuen Kameraden - trotz Kreuz und Kapelle - im Hintergrund zu bleiben scheint. (Quelle: Helge Stromberger, Die Ärzte, die Schwestern, die SS und der Tod, 2002, Drava Verlag, Klagenfurt)

Schon vor der Zeit des Nationalsozialismus wurde die Idee der Beendigung 'lebensunwerten Lebens' in juristischen und medizinischen Fachzeitschriften offen diskutiert. Als grundlegendes Argument für die 'Zwangseuthanasie' in der NS-Zeit wurden wirtschaftliche Gründe angeführt, psychisch kranke Menschen waren lediglich 'Kostenfaktor', sogenannte 'unnütze Esser' und somit nicht nutzbar für die Volksgemeinschaft. Auch in Kärnten/Koroška wurden im Rahmen der NS-Euthanasie-Programme zwischen 700 und 900 Menschen im Klagenfurter Gaukrankenhaus ermordet und ungefähr 750 aus Klagenfurt nach Hartheim transportiert und dort vergast, nachdem sie als 'unwertes Leben' qualifiziert wurden. Außerdem wurden viele Opfer durch Unterversorgung und bewusste Vernachlässigung in den medizinischen Einrichtungen umgebracht. Nachdem vor allem katholische Kreise einen 'Euthansiestopp' gefordert hatten, wurden die Massenmorde an psychisch Kranken ab 1942 organisatorisch umstrukturiert und dezentral in den Krankenhäusern durchgeführt - und zwar überall dort, wo sich Personal dazu bereit erklärte, dies zu tun. Wie in vielen anderen Krankenhäusern des NS-Staates war dies auch im Klagenfurter Gaukrankenhaus der Fall.

In den Jahrzehnten nach dem Krieg sind diese Opfer des Nationalsozialismus fast völlig verdrängt worden, wohl auch, weil Diskriminierung und Gewalt gegen behinderte Menschen keineswegs unaktuelle Erscheinungen sind. Seit Mitte der achtziger Jahre gibt es jedoch Bemühungen, diese bisher in Vergessenheit geratenen Opfer wieder in Erinnerung zu rufen. 1988 wurde, im Zuge von umfassenderen Bestrebungen die Psychiatrie offener und transparenter zu gestalten, am Gelände des Landeskrankenhauses ein Mahnmal für die Ermordeten eingeweiht. Der medizinische Leiter des Klagenfurter Krankenhauses, erklärte vor einigen Jahren entschieden, dass es keine wie auch immer geartete ethische Legitimität gäbe, welche Ärztinnen und Ärzte dazu ermächtigen könnte, menschliches Leben zu vernichten. Mit dem Denkmal mit dem Schriftzug 'Für die Opfer des Nationalsozialismus in der Psychiatrie Klagenfurt' beim LKH Klagenfurt/Celovec findet sich in der Kärntner Erinnerungspolitik eine der wenigen Ausnahmen, welche an tatsächliche Opfer erinnert und nicht an zu Opfern stilisierte HandlangerInnen des NS-Systems. (Quelle: http://zoom.mediaweb.at/zoom_796/euthanasie.html / Helge Stromberger, Die Ärzte, die Schwestern, die SS und der Tod, 2002, Drava Verlag, Klagenfurt)

* Anmerkung der Verfasserin: Gemeint sind hier die vier Symbole, welche für die 4 Evangelisten stehen. Die gesamte Anlage baut auf diesen Motiven, welche zum Urbestand christlicher Kunst zu zählen sind, auf, z.B. stellen die Eingangskapellen diese Symbole dar.