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Der Ulrichsberg: Am Beispiel Soeren Kam

Neben der Ulrichsbergfeier zählt jedes Jahr besonders das einen Tag vorher stattfindende Treffen der Kameradschaft IV (der Vereinigung ehemaliger österreichischer SS-Angehöriger) zu den Höhepunkten für die aus ganz Europa anreisenden SS-Freiwilligen. Medial trat dieses Treffen in Krumpendorf zuletzt 1995 auch international in Erscheinung, als der heutige Landeshauptmann von Kärnten, Jörg Haider, den anwesenden SS-Soldaten Anstand und Charakter zusprach und dazu gratulierte, dass sie auch "bei größtem Gegenwind zu ihrer Überzeugung stehen und ihrer Überzeugung bis heute treu geblieben sind." Denn, so Haider weiter, "ein Volk, das seine Vorfahren nicht in Ehren hält, ist sowieso zum Untergang verurteilt." Unter den im Publikum applaudierenden Anwesenden befand sich auch Soeren Kam, ein in Dänemark zu lebenslanger Haft verurteilter ehemaliger SS-Freiwilliger.

Im Laufe des Zweiten Weltkriegs meldeten sich auch 2.000-3.000 Dänen freiwillig zur Waffen-SS. Erster Führer der dänischen SS war der fanatische Nationalsozialist Christian Frederik von Schalburg, den Soeren Kam bis heute zu seinen Vorbildern zählt. Nach Schalburgs Tod wurde - noch während des Kriegs - eine SS-Kaderschule ihm zu Ehren benannt. Die Leitung der Schule wurde dem, von Heinrich Himmler persönlich dazu berufenen, dänischen SS-Freiwilligen Soeren Kam übertragen, unter dessen Leitung Soldaten dort u.a. für Terroranschläge ausgebildet wurden.

Kam, Jahrgang 1921, hatte sich selbst schon als 20jähriger freiwillig zur SS gemeldet. Zunächst an der Ostfront aktiv, absolvierte er, nach einer Verletzung, eine Ausbildung in der SS-Junkerschule in Klagenfurt, wo er sich vor allem durch "politischen" Eifer hervortat. Zurück an der Front bekam Kam für seinen Einsatz im Kampf das Ritterkreuz verliehen. Kams Kameraden erinnerten sich im nachhinein folgendermaßen: "Die Männer unter SS-Obersturmführer Sören Kam durchkämmen das Gebiet. Wo immer seine Norweger, Dänen und Finnen durchgezogen sind, gibt es keine Sowjets mehr."

In Abwesenheit zum Tode verurteilt wurde Kam allerding wegen Geschehnissen während seines Heimaturlaubs am Abend des 30. August 1943 in Kopenhagen-Lyngby. Gemeinsam mit seinen beiden Kameraden von der SS-Einheit Schalburg, Jorgen Valdemar Bitsch und Knud Flemming Helveg-Larsen, hatte Soeren Kam den antifaschistischen Journalisten Carl Henrik Clemmensen bis zu dessen Wohnung verfolgt, dann entführt und schließlich mit insgesamt acht Pistolenschüssen exekutiert. Grund dafür war, dass Clemmensen kurz zuvor einem Journalisten des dänischen Nazi-Blatts Fadrelandet über den Weg gelaufen war. Im Zuge dieses Aufeinandertreffens spuckte er vor dem NS-Kollaborateur aus und beschimpfte ihn als "Landesverräter". Grund genug, um einige Tage später hingerichtet zu werden. Der Mord an Clemmensen bildete in Dänemark den Auftakt für eine nationalsozialistische Terrorwelle im Zuge derer im Herbst 1943 mindestens 125 Menschen brutal ermordet wurden.

Während der an der Tat beteiligte Knud Flemming Helveg-Larsen in Dänemark 1946 zum Tode verurteilt und das Urteil auch vollstreckt wurde, konnten Kam und Bitsch untertauchen. Bitsch ist bis heute verschollen, Kam wurde unter heute nicht mehr klärbaren Umständen 1956 die deutsche Staatsbürgerschaft verliehen. Alle Auslieferungsanträge der dänischen Regierung werden seither abgelehnt, da Deutschland keine Staatsbürger an andere Staaten ausliefert.

Kam bestritt auch nach dem Krieg niemals an der Tat beteiligt gewesen zu sein, sondern betonte zunächst, er habe lediglich "in einem Akt solidarischer Haltung" mit seinen Kollegen auf den schon tot am Boden liegenden Clemmensen einige Schüsse abgegeben. So wurde ein Ermittlungsverfahren, das die Staatsanwaltschaft München 1968 gegen den nunmehr im bayerischen Klempten lebenden Verkaufsleiter einer Brauerei eingeleitet hatte, drei Jahre später "aus Mangel an Beweisen" eingestellt. Auf internationalen Druck, vor allem aus Dänemark, wo Kams Fernsehauftritt in Krumpendorf mit umgehängtem Ritterkreuz für große Aufregung gesorgt hatte, wurde das Verfahren 1998 wieder aufgenommen, aber trotz neuer belastender medizinischer Untersuchungen zum Tathergang, wieder eingestellt. Dabei konnte Kam nachgewiesen werden, dass seine Version zum Tathergang nicht stichhaltig war, da alle Schüsse auf einen stehenden Clemmensen abgegeben worden waren.

2005 konnte der mittlerweile betagte Kam schließlich zum - vermutlich - letzten Mal erleichtert durchatmen. Nach der Aufhebung der Gültigkeit von EU-Haftbefehlen in Deutschland durch das Bundesverfassungsgericht wurde ein Anfang des Jahres gestellter Auslieferungsantrag Dänemarks neuerlich abgelehnt.

Kam war 1995 nicht zum ersten Mal nach dem Krieg in Kärnten zu Gast, durfte er doch jahrelang die dänische Delegation der SS-Freiwilligen anführen. Darüber hinaus zählt er zum Freundeskreis der Tochter von Heinrich Himmler, Gudrun Burwitz, die ebenfalls regelmäßige in Krumpendorf sowie am Ulrichsberg anzutreffen ist.

⇒ Recherche zur Tafel der dänischen Freiwilligen

Quellen:
Marsen Thies: Kam sah und blieb. In: Jungle World Nr. 33, 9.9.1998.
Marsen Thies: Verfahren gegen Alt-Nazi Soeren Kam eingestellt - Einfach Notwehr. In: Jungle World Nr. 37, 11.8.1999.
Röpke, Andrea und Schröm, Oliver (2002): Stille Hilfe für braune Kameraden. Das Geheime Netzwerk der Alt- und Neonazis. Ein Inside Report.
Wolff Reinhard: Kriegsverbrecher bleibt im Allgäu. In: Taz, 3.8.2005.