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Der Ulrichsberg - Fakten und Zahlen
AK gegen den Kärntner Konsens

"Der 'Heilige Berg Kärntens', kegelförmig, 1.015 m über dem Meeresspiegel, liegt zwischen der Landeshauptstadt Klagenfurt und der Herzogstadt St. Veit im 'Zollfeld'. Ganz Mittelkärnten liegt dem Beschauer auf der Bergspitze zu Füßen der bizarren Karawankenkette, der heute südlichsten Grenze des deutschen Sprach-, Kultur- und Lebensraumes [...] Kelten und Illyrier – der indogermanischen Völkergruppe zugehörig – siedelten in diesem Gebiet. Die Römer nannten diese Bewohner 'die Noriker'. Auf diesem Berg, latinisiert 'Mons Carantanus', entstand eine heilige Kultstätte, die der Göttin 'Isis Noreia', der Spenderin des Erdsegens und der Fruchtbarkeit, und dem Gott 'Cosoumotanus' geweiht war."

So mythisch beschreibt Norbert Rencher in der Ulrichsberg-Dokumentation die Geschichte des Ulrichsbergs (Rencher 1999, 7).(1) Für alle, die sich mit der österreichischen Geographie nicht so gut auskennen, sei vorausgeschickt, dass Kärnten/Koroška, das an das heutige Slowenien grenzt, das südlichste Bundesland Österreichs ist und sich der Ulrichsberg nur wenige Kilometer nördlich der Landeshauptstadt Klagenfurt/Celovec befindet.

Das so genannte Ulrichsbergtreffen wurde 1958 erstmals initiiert und fand von 1959 bis 2008 jährlich auf dem Ulrichsberg statt. Unter dem Motto "Der Ulrichsberg ruft" lud die Ulrichsberggemeinschaft (UBG) zu einer Gedenkveranstaltung für die "gefallenen Kameraden" und die glücklichen "Heimkehrer" aus dem Krieg ein. Die Gedenkstätte am Ulrichsberg und die Ulrichsbergfeier stellen ein Beispiel für ein heroisierendes revisionistisches Soldatengedenken dar, das insbesondere an die Soldaten des Zweiten Weltkriegs erinnern möchte und sowohl die Gefallenen als auch die Heimkehrer aller Waffengattungen inklusive der (Waffen-)SS einschließt. Verdeutlicht wird dies nicht nur durch die im so genannten "Ehrenhain" angebrachten Gedenktafeln – von diesen wird später noch ausführlich die Rede sein –, sondern auch durch Aussagen, die bei der Feier getroffen wurden, wie zum Beispiel: "Kein einziger Soldat, welcher Waffengattung auch immer, hat es verdient, von dieser Feier ausgeschlossen zu werden"(2) oder "Wir machen [...] zwischen der sogenannten Totenkopf-SS und den Soldaten der Waffen-SS einen Unterschied. [...] die ehemaligen Teilnehmer der Waffen-SS sind Soldaten und sie sind am Ulrichsberg gerne willkommen."(3)

Die Gründungsgeschichte der Ulrichsberg-Gedenkstätte
Die Gründungsgeschichte der Gedenkstätte am Ulrichsberg soll im Folgenden kurz umrissen werden. Im Mai 1946, bereits ein Jahr nach Ende des Zweiten Weltkrieges, gründeten Kriegsheimkehrer, allen voran Blasius Scheucher(4), den Heimkehrerbund der ÖVP Kärnten, in dessen Mittelpunkt die Sorgen und Wünsche der Heimkehrer standen: "Heimkehrer nach vorne!" Dieser Bund von ehemaligen Wehrmachtsangehörigen wurde von den Alliierten mit der Begründung, dass jede Vereinigung von ehemaligen Mitgliedern einer militärischen Formation untersagt sei, umgehend verboten (Rencher 1999, 13 f.). Schon im Juli 1946 erfolgte unter dem Namen Heimkehrer-Hilfs- und Betreuungsstelle (HHB) eine Neugründung. Die HHB wurde kurz darauf wieder aufgelöst und in das so genannte Soziale Hilfswerk der ÖVP integriert. Unter dem Motto "Frontgeist gegen Klassenkampf" forderte der damalige Stadtrat Blasius Scheucher, dass alle heimgekehrten Frontsoldaten in den Aufbau der Demokratie eingebunden werden müssten. Zeitgleich wurde Blasius Scheucher in das Landesparteipräsidium der ÖVP entsandt (Rencher 1999, 15). Nach der Auflösung der HHB riefen deren Proponenten am 10. Oktober 1947 zu einem ersten Heimkehrergedenken auf dem Zollfeld/Gosposvetsko polje auf, an dem angeblich 20.000 Besucher_innen teilnahmen. Als Datum der Kundgebung wurde nicht zufällig der Jahrestag der kärntner Volksabstimmung festgelegt, die unter anderem auch die geschichtlichen Hintergründe der Volksabstimmung im Jahr 1920 erläutern).

Die seit 1953 geplante Errichtung eines Ehrenmales auf dem Zollfeld scheiterte 1954 am Widerstand der Kirche, die eine Errichtung eines Ehrenmales für Soldaten auf kirchlichem Boden ablehnte. Der neue Vorsitzende der Gesellschaft zur Errichtung eines Ehrenmales auf dem Zollfeld, der späteren Ulrichsberggemeinschaft (UBG)(5), Graf Leopold Goëss, in dessen Privatbesitz sich der Ulrichsberg befand, stellte daraufhin die Kuppe des Berges für die Errichtung einer Gedenkstätte zur Verfügung. Am 12. Oktober 1958 erfolgte im Rahmen einer Feier die Grundsteinlegung für die Errichtung des Heimkehrerkreuzes am Ulrichsberg und am 17. Mai 1959 fand die Weihe der Ulrichsberg-Gedenkstätte statt, die angeblich 12.000 Menschen auf den Ulrichsberg zog (Rencher 1999, 16, 19 f.). Im Oktober desselben Jahres fand dann die erste der in den folgenden Jahrzehnten jährlich abgehaltenen Ulrichsbergfeiern statt.(6)

Ulrichsberg-Gedenkstätte und "Ehrenhain"
"Siehe Vaterland, das haben wir dir zurückgebracht, unsere Treue, unsere Tapferkeit, unsere Liebe, geweiht durch die Opfer von Zehntausenden. Es wird dir viel bedeuten müssen, heute und für alle Zukunft."
Dieses "Vermächtnis der Heimgekehrten" wurde 1958 anlässlich der Feier zur Grundsteinlegung für die Errichtung des Heimkehrerkreuzes angebracht (Rencher 1999, 24).

Die zentralen Elemente der Gedenkstätte bilden ein 20 Meter hohes Stahlkreuz(7) und der so genannte "Ehrenhain", der sich in der Ruine der gotischen Kirche St. Ulrich aus dem 15. Jahrhundert befindet. An den Wänden der Kirchenruine hängen über fünfzig Gedenktafeln, vor allem von Militärverbänden aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg, von so genannten "Vertriebenen", aber auch des Österreichischen Bundesheeres sowie des Roten Kreuzes und der Feuerwehr.

relief kameraden Direkt über dem Eingang der Kapellenruine hängt seit 1984 ein Abguss des Reliefs Kameraden, gestaltet von Arno Breker, einem von Adolf Hitler besonders protegierten Künstler, der während der nationalsozialistischen Herrschaft mit einigen Großprojekten zur künstlerischen Verherrlichung des NS-Regimes betraut war. Ursprünglich war dieses Relief für einen 240 Meter langen Fries in Albert Speers neuem Berlin, welches in Germania umbenannt werden sollte, geplant. Arno Brekers Skulpturen brachten die nationalsozialistische Kunstauffassung besonders deutlich zum Ausdruck. Mit dem Relief Kameraden schuf er eine idealisierte Abbildung des vorbildhaften Mustersoldaten, einer durch Opferbereitschaft gekennzeichneten Kameradschaft und eine heroische Darstellung des Kriegstodes. Die Darstellung der Szene repräsentiert sowohl arische Idealmaße als auch eine Ästhetisierung männlicher Kraft. Das Relief steht für die offiziell wieder geschaffene bzw. zusammentreffende Gemeinschaft aus der Kriegszeit, die damit auch in einer symbolischen und ästhetisierten Form im "Ehrenhain" abgebildet wird.

Im "Ehrenhain" befinden sich zahlreiche Gedenktafeln von ehemaligen Wehrmachts- und (Waffen-)SS-Verbänden, darunter einige, die der so genannten "Freiwilligen" aus verschiedenen Ländern (z. B. Spanien, Norwegen, Lettland, Belgien) gedenken, sowie diverser Gebirgsjägerregimente (z. B. Kameradschaft Gebirgsjäger- Regiment 139, Kameradschaft vom Edelweiß, Gebirgsartillerie-Regiment 112, Kameradschaft der ehemaligen 118. Jäger-Division). Insbesondere die Gedenktafeln der so genannten "Europäischen (SS-) Freiwilligen-Verbände", auf die im Beitrag Politische Elitesoldaten. Europäische "Freiwillige" in der Waffen-SS in diesem Buch ausführlich eingegangen wird, untermauern den revisionistischen Charakter der Gedenkstätte. Auch den Gebirgsjägern – denen auch Blasius Scheucher, einer der Mitbegründer der UBG, angehörte –, die jährlich ein Treffen in Mittenwald in Bayern abhalten, ist ein eigener Beitrag gewidmet: Der "Kameradenkreis der Gebirgstruppe". Von einer Selbsthilfevereinigung für Kriegsverbrecher zum Traditionsdienstleister der Bundeswehr.

Unter den Inschriften auf den Gedenktafeln befindet sich auch eine Abwandlung des SS-Wahlspruchs "SS-Mann, deine Ehre heißt Treue", nämlich: "Des Soldaten Ehre ist seine Treue" mit der Unterschrift "Im ehrenden Gedenken an alle gefallenen u. vermissten Kameraden unserer Truppe. Gewidmet in Dankbarkeit der Garnisonsstadt Klagenfurt". Obwohl diese Ehrentafel, deren Text 1984 zur 25-Jahr-Feier festgelegt wurde, selbst keinerlei Hinweis auf die Stifter trägt, ist ihre Anbringung mit großer Wahrscheinlichkeit der Kameradschaft IV (K IV)(8) zuzuordnen. Sowohl diese Tafel als auch eine Mehrzahl der Tafeln von ehemaligen "Freiwilligen-Verbänden" aus verschiedenen Ländern Europas enthalten einen Hinweis auf "ihre ehemalige Garnisonsstadt". Der Zusammenhang zwischen den "Freiwilligen" und der Garnisonsstadt Klagenfurt/Celovec ergibt sich aus der Ausbildung der Waffen-SS in einer SS-Junkerschule, die sich in der Lendorf/Dhovše-Kaserne bei Klagenfurt/Celovec befand.

kIV - garnisonsstadt Auch den Ritterkreuzträgern – das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes war die höchste Auszeichnung für Wehrmachts- und (Waffen-)SS-Angehörige, die für "besondere Tapferkeit vor dem Feind" und "hervorragende Truppenführung" von Adolf Hitler persönlich verliehen und von zahlreichen Kriegsverbrechern getragen wurde – ist eine Gedenktafel gewidmet. Diese trägt die Inschrift: "1938-1945 Unseren gefallenen Kameraden zur Ehre – Die Ritterkreuzträger". Interessanterweise befinden sich unweit der Tafel der Ritterkreuzträger drei Tafeln des Österreichischen Bundesheeres. Insgesamt erhielten 320 Österreicher das Ritterkreuz, von denen rund 40 in der Zweiten Republik in das neu gegründete Österreichische Bundesheer aufgenommen wurden (vgl. Berger 2003). Die deutsche Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger e.V. bildet einen internationalen Dachverband für Ritterkreuzträger aus ganz Europa. Über den Verein, der Anfang der 1990er Jahre immerhin noch rund 1.000 Mitglieder zählte, werden Treffen organisiert und eine kriegsverherrlichende und die "Umerziehung des deutschen Volkes" beklagende Mitgliederzeitung mit dem Namen Das Ritterkreuz herausgegeben.(9) Besonderes Anliegen des Vereines ist die Traditionspflege der Soldatentugenden – Pflichtbewusstsein, Opferbereitschaft, Kameradschaft –, die er auch in Bundeswehr und Bundesheer verbreitet.

Besondere Aufmerksamkeit verdienen auch die Gedenktafeln des SchAD-Österreich und die der Angehörigen der ärztlichen Akademie Berlin-Graz. Die Tafel des SchAD-Österreich (SchAD, Schutzverband ehemaliger Arbeitsdienstangehöriger) erinnert an die gefallenen Arbeitsdienstangehörigen des RAD (Reichsarbeitsdienst). Jugendliche zwischen 18 und 25 wurden ab 1935 zu einem halben Jahr Arbeitsdienst, der als "Ehrendienst am deutschen Volke" galt, verpflichtet. Während der RAD anfänglich vor allem wirtschaftliche Aufgaben (z. B. Forst- und Wegebauten, Hilfsarbeiten beim Bau der Reichsautobahnen) hatte, bildete er ab 1944 fast nur noch militärisch aus. Die Einweihung dieser Gedenktafel am 14. September 1986 beschreibt Norbert Rencher in der Ulrichsberg-Dokumentation folgendermaßen:

"Die Einweihung einer Ehrentafel der Kameraden des Arbeitsdienstes – SCHAD – [...] oblag dem Militärdekan Prof. Duller. In seiner Kurzansprache sagte er u. a.: 'Niemals aber gab es eine Zeit, in der man der Geschichte im Sinne des tatsächlich Geschehenen nicht Gewalt angetan hätte [...] Die Zeche bezahlt immer einer mit oft undifferenzierten Pauschalverurteilungen [...] Auch wenn sich irgendein Zeitgeschichtler aufpludert und bestreitet, daß der Dienst unter dem Spaten nicht als ein Dienst an einer Ideologie verstanden wurde, sondern vielmehr ein Dienst für die Menschen von damals war.'"
Außerdem merkt Norbert Rencher an: "Die Behörde informierte die UBG, daß die Bezeichnung 'RAD – w.J.' unter das Verbotsgesetz (Abzeichengesetz 1960) fällt." (Rencher 1999, 119)

Bei der Einweihung der Tafel trug eine Kranzschleife nämlich die Bezeichnung der Vereinigung RAD w.J. (Reichsarbeitsdienst weibliche Jugend), die entfernt werden musste. Wie es möglich ist, dass die RAD/SchAD-Tafel mit gleicher Widmung und unverändertem RAD-Emblem noch immer in der Gedenkstätte am Ulrichsberg hängt, ist unklar – eigentlich müsste auch diese unter das Verbotsgesetz fallen.

ss aerztliche akademie "In Memoriam – den im Einsatz für Heimat und Vaterland gefallenen, vermißten und nach Kriegsende gewaltsam zu Tode gekommenen Ärzten, Schwestern und Sanitätsdienstgraden beider Weltkriege und der Abwehrkämpfe" erinnern die Angehörigen der ärztlichen Akademie Berlin-Graz. Ganz bewusst wird hier durch ein Weglassen der SS-Runen ausgespart, dass es sich dabei um eine Akademie der SS handelte. So stellt diese Inschrift nicht nur ein Paradebeispiel einer Täter_innen-Opfer-Umkehr, sondern auch einen perfiden Versuch, die Medizinverbrechen des Nationalsozialismus zu legitimieren, dar. Die SS-Ärztliche Akademie wurde 1940 von Berlin nach Graz verlegt und diente zur Ausbildung von SS-Ärzten und SS-Sanitätsoffizieren.

In dem Sammelsurium an Gedenktafeln befindet sich in zentraler Position auch eine des Kärntner Abwehrkämpferbundes (KAB): "Den Gefallenen und Opfern des Kärntner Freiheitskampfes 1918 – 1920 in Dankbarkeit gewidmet." Der KAB besteht aus Veteranen und Nachkommen des so genannten "Kärntner Abwehrkampfes" – der im Beitrag "Wo man mit Blut die Grenze schrieb…" näher erläutert wird – und pflegt dessen Tradition im deutschnationalen Sinne mit ausgesprochener Frontstellung gegen die slowenische Minderheit. Der KAB arbeitete immer eng mit dem Kärntner Heimatdienst (KHD) zusammen, beide regionalen Großorganisationen werden vom Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus (1993, 242 f.) als rechtsextreme Vorfeldorganisationen eingestuft. Im Jahr 2008 kam es zwischen den beiden Organisationen, die über Jahrzehnte eine unzertrennliche Gemeinschaft im "Kampf" für die "Kärntner Interessen" gebildet hatten, durch den Vorwurf des KAB, der KHD hätte sich von der Heimattreue verabschiedet, zu einem Zerwürfnis. Der erhobene Vorwurf bezog sich auf die Aufnahme eines Dialogs mit Vertreter_innen der slowenischen Minderheit in Kärnten/ Koroška und hatte einen (vorübergehenden) Rückzug des KHD von den Ulrichsbergfeierlichkeiten zur Folge.

Obwohl innerhalb der UBG argumentiert wurde, dass eine Einbeziehung der Opfer der Zivilbevölkerung den eigentlichen Sinn des Ehrenmales als Soldatengedenken stören und dies zu weite Kreise ziehen würde (Rencher 1999, 22), wurden letztlich dennoch Tafeln von und für Zivilist_innen angebracht.

Die "Volksdeutschen Landsmannschaften" wurden bereits 1959 in die Ulrichsbergarbeitsgemeinschaft aufgenommen, aber erst 1987 wurde ihre eigene Gedenktafel mit der Inschrift "Unseren Gefallenen und Opfern aus Flucht und Vertreibung" feierlich enthüllt (Rencher 1999, 22, 123). Wer glaubt, es könnten damit auch die Opfer der NS-Deportationen gemeint sein, irrt. Vielmehr geht es etwa um "Donauschwaben", "Sudetendeutsche" oder "Gottscheer", die zu eigenen völkischen Einheiten als "Volksgruppen", die außerhalb von Deutschland und Österreich angesiedelt waren, stilisiert werden. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gründeten sich in Österreich und Deutschland verschiedene Landsmannschaften als Interessensorganisationen der so genannten "Vertriebenen". Im Vordergrund stehen Entschädigungsforderungen und die Anerkennung der Singularität des Leids der "deutschen Vertriebenen", die tatsächlichen Ursachen für die Umsiedlungspolitik der unmittelbaren Nachkriegszeit werden komplett ausgeblendet.

Das geeinte Europa der Vaterländer
Am 1. Oktober 1994 wurde der Ulrichsberg durch die Enthüllung des Europasteines zur "Europagedenkstätte" erklärt. Norbert Rencher weihte den Stein unter anderem mit folgenden Worten ein:
"Männer aus allen europäischen Ländern haben die Notwendigkeit erkannt, für ein Europa ohne Kommunismus zu kämpfen. Ihre visionäre Tat haben viele dieser Freiwilligen Europäer mit dem Leben bezahlt. Hier auf dem Ulrichsberg – in dieser europäischen Gedenkstätte – haben diese Kriegsopfer zusammen mit allen Toten der beiden letzten Kriege, des Kärntner Abwehrkampfes und allen Opfern, die hilflos Gewalt erlitten, eine würdige Ruhestätte gefunden. Die Ulrichsberggemeinschaft bekundet mit diesem Werk die geistige Verbundenheit der Vergangenheit in eine gute Zukunft für die nachfolgenden Generationen in einem einigen Europa. [...] Glaubt mit uns an ein Europa der Vaterländer." (Zit. n. Rencher 1999, 151)

Hiermit wird deutlich, dass der am Ulrichsberg vertretene Europagedanke auf Antikommunismus und Antibolschewismus beruht und die ehemaligen Soldaten der (Waffen-)SS und der Wehrmacht angeblich für ein freies, geeintes Europa gekämpft hätten. Ähnliche Aussagen ziehen sich durch viele der Reden, die im Rahmen der Ulrichsbergfeierlichkeiten insbesondere bei den Krumpendorfabenden (auf diese wird später noch näher eingegangen) gehalten wurden. Zum Beispiel fand Jörg Haider sowohl 1985 als auch 1995 ähnliche Worte für die "lieben Kameraden" der (Waffen-)SS-Traditionsverbände, unter diesen die Kameradschaft IV:
"Ihre Opfer sollen nicht umsonst gewesen sein! Ohne Ihren Opfermut gäbe es heute nicht jene Freiheit im westlichen Europa, die für viele schon so selbstverständlich geworden ist."
Und an der Entwicklung Europas werde deutlich, dass die "[...] Grundlage von euch für Frieden und Freiheit gelegt wurde." (Zit. n. Scharsach/Kuch 2000, 32)

Die Selbstdarstellung der Nationalsozialisten klang nicht viel anders, erklärte doch Propagandaminister Joseph Goebbels in seiner Rede am 18. Februar 1943:
"Die deutsche Wehrmacht und das deutsche Volk allein besitzen mit ihren Verbündeten die Kraft, eine grundlegende Rettung Europas aus dieser Bedrohung [dem Bolschewismus, Anm.] durchzuführen." (Zit. n. Scharsach/Kuch 2000, 32)

Die Ulrichsbergfahrer_innen
Die Urkunde der damals noch Gesellschaft zur Errichtung eines Ehrenmals auf dem Zollfeld genannten späteren Ulrichsberggemeinschaft, die 1958 bei der ersten Feierstunde angeblich im Sockel des Ulrichsbergkreuzes eingemauert wurde, wurde von folgenden Organisationen unterzeichnet: Kameradschaft ehemaliger Gebirgsjäger; Heimkehrerverband Österreich, Land Kärnten; Kärntner Gebirgsschützenbund; Österreichischer Marinebund, Land Kärnten; Österreichischer Soldatenverband, Kameradschaft IV, Land Kärnten; Kärntner Sängerbund; Achter Jägerbund; Kärntner Abwehrkämpferbund; Kärntner Kriegsopferverband; Kärntner Landsmannschaft (Rencher 1999, 23). In den folgenden Jahrzehnten arbeitete die UBG auch mit zahlreichen anderen Kameradschaften und (Veteranen-)Verbänden zusammen.

Unter diesen kam der Kameradschaft IV (K IV), einer rechtsextremen Veteranenorganisation ehemaliger Angehöriger der Waffen- SS, eine Schlüsselstellung zu. Die K IV versucht die Waffen-SS, die vom Nürnberger Gerichtshof als Teil der SS zu einer verbrecherischen Organisation erklärt wurde, als vierten Teil der Wehrmacht und damit als unbedenklich hinzustellen und leitet auch ihren Namen daraus ab. Seitens des Bundesministeriums für Inneres wurde 1992 eine Überprüfung der Tätigkeit der K IV eingeleitet. Bezug nehmend auf die Zeitschrift Die Kameradschaft stellte der damalige Innenminister Franz Löschnak fest, dass sie die Verbrechen des NS-Regimes verharmlose und die (Waffen-)SS glorifiziere. Die K IV kam etwaigen vereinsrechtlichen Schritten im Oktober 1995 durch eine freiwillige Selbstauflösung des Bundesverbandes zuvor.(10)

kIV - garnisonsstadt Die zentrale Rolle der K IV wird nicht nur durch die von ihr gestifteten oder aufgestellten Gedenktafeln ("Wir gedenken unserer toten Kameraden – Österreichischer Soldatenverband Kameradschaft IV"; "Des Soldaten Ehre ist seine Treue"), sondern auch durch das von ihr mit organisierte Rahmenprogramm deutlich. Gemeinsam mit der UBG veranstaltete die K IV am Tag vor dem Ulrichsbergtreffen traditionellerweise eine Begleitveranstaltung, die auch als "Krumpendorftreffen" – dem noch ein eigener Abschnitt gewidmet wird – bekannt wurde. Dabei fungierte die K IV als Schnittstelle sowohl zwischen den verschiedenen europäischen (Waffen-)SS-Veteranen-Verbänden, von denen seit Bestehen des Treffens jährlich Delegationen aus ganz Europa anreisen, als auch zwischen der soldatischen Kriegsgeneration und einer nationalen und internationalen rechtsextremen Klientel.

Aufgrund des offensichtlichen Naheverhältnisses der UBG zu (Waffen-)SS- und Wehrmachtsveteranen und einer fehlenden (deutlichen) Distanzierung von nationalsozialistischem Gedankengut erfreute sich die Ulrichsbergfeier einer breiten Akzeptanz vor allem bei rechts-außen stehenden Organisationen. Zu den Feierlichkeiten reiste neben zahlreichen Kärntner_innen, Vertretern von Burschenschaften, dem Ring Freiheitlicher Jugend (RFJ) und dem Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) ein bunt gemischtes Publikum bestehend aus Mitgliedern von (SS-)Veteranenverbänden (z. B. aus Deutschland, Norwegen, Belgien, Finnland, Frankreich, Schweden, Dänemark, Italien und den Niederlanden) und Vertreter_innen europäischer rechtsextremer Organisationen und Parteien (z. B. HIAG, Stille Hilfe, Voorpost aus Belgien, Vlaams Belang) sowie nationalen und internationalen Neonazis an. Die Teilnahme von in vollem Wichs antretenden Burschenschaftern war von Beginn an zentraler Bestandteil der Feierlichkeiten und die Burschenschaften stellen, als politische Vorfeldorganisationen der FPÖ, eine wichtige Verbindung zwischen der deutschnationalen Studentenschaft und der etablierten Politik dar.

Zudem nahmen neben dem Österreichischen Bundesheer, das bis 2008 bei den Feierlichkeiten eine tragende Rolle spielte, hochrangige Bundespolitiker_innen und Regierungsangehörige fast aller politischen Parteien nicht nur offiziell an der Ulrichsbergfeier teil, sondern erklärten sich auch bereit, die Festrede zu halten. Die Teilnahme des offiziellen Österreich in Form des Bundesheeres und von Landes- und Bundespolitiker_innen diente der demokratischen Legimitierung, und der UBG ist es dadurch gelungen, die Gedenkstätte und die Ulrichsbergfeier als Friedenssymbole für ein geeintes (EU-)Europa zu verkaufen.

Die Ulrichsbergfeier
"Hoch ragt das Kreuz auf dem Ulrichsberg über unserer geliebten Heimat. Es ist 1. ein Zeichen großen Leides, 2. Sinnbild des Sieges und 3. Mahnmal für die Heimat. Es erinnert uns an die unzähligen Millionen, die in Leid und Not standen. Sind dies nicht vor allem auch die Soldaten, die großes Leid trugen für andere, für ihre geliebte Heimat, für Frauen und Kinder, Mütter und Väter? So ist dieses Kreuz der Dank der Heimat an ihre Soldaten für die leidvollen Opfer, die sie brachten. Das Kreuz ist aber auch der Dank der aus dem großen Leide des Krieges Heimgekehrten. [...] Das Heimkehrerkreuz ist aber auch ein Sinnbild des Sieges – oft mit Edelsteinen geschmückt – das die Rettung durch den Tod des Gottessohnes symbolisiert. [...] Das Heimkehrerkreuz ist ein Mahnmal für die Heimat, für das Kärntner Land – ein herrlich’ Land." (Zit. n. Rencher 1999, 28)
uebersicht So lautet ein Ausschnitt aus der Predigt, die anlässlich der Einweihung des Heimkehrerkreuzes am 17. Mai 1959 von Bischof Joseph Köstner gehalten wurde, der das zentrale Anliegen der UBG genau auf den Punkt bringt: Verehrung soldatischen Heldentums – Kameradschaft, Pflichttreue und Heimatliebe bis zum Tode!

Die Ulrichsbergfeier, die wie schon erwähnt seit 1959 – seit 1961 unter dem Motto "Der Ulrichsberg ruft" – jährlich abgehalten wurde, lief in einer ritualisierten Form ab: Militärmusik, Begrüßung, Grußbotschaften, Messe, Festrede, Kranzniederlagen, Ausklang der Feier bei Speis und Trank. Das Bundesheer und die farbentragenden Korporationen (Burschenschaften) bildeten von Anfang an den festlichen Rahmen, das Bundesheer sorgte zudem einerseits für die musikalische Begleitung und eine Ehrenwache, andererseits für den logistischen Ablauf der Feier. (Die engen Beziehungen des Österreichischen Bundesheeres zum Ulrichsberg werden im Artikel Brückenschlag zwischen den Soldaten-Generationen aufgearbeitet.) Einem militärischen Auftakt, der Begrüßung der anwesenden Kameradschaften, Abordnungen und ehrenwerten Einzelpersonen durch den Obmann der UBG und einer Messe folgte der Höhepunkt der Feier: die Festrede. Deren Inhalt war meist mehr oder weniger austauschbar und variierte nur in seiner Radikalität bzw. in seiner Nicht-Distanzierung von nationalsozialistischem Gedankengut.

Die Ehre, diese zu halten, hatte oft der jeweils amtierende kärntner Landeshauptmann(11), der Verteidigungsminister(12) oder der Militärkommandant des Landes Kärnten(13) sowie Historiker(_innen)(14) oder auch der Obmann des KAB(15), 1967 sogar der damalige Bundeskanzler Josef Klaus. Unumstößlicher Bestandteil jeder Rede war es – mit einigen wenigen Ausnahmen –, Soldatentum, Ehre, Treue, Kameradschaft und Opfertod hervorzuheben und dem Soldaten im Krieg ein heroisches, aufopferndes Wesen zu verleihen. Soldaten und Heimkehrer von der Front wurden einerseits zu Helden stilisiert, andererseits zu mehrfachen "Opfern" gemacht: zuerst "Opfer" des Krieges und in der Nachkriegszeit "Opfer" der "Siegerjustiz". Außerdem mussten die aus der Kriegsgefangenschaft Heimgekehrten die Opfer und Mühen des Wiederaufbaus auf sich nehmen.

Die Festredner(_innen) nahmen auch immer wieder Bezug auf aktuelle Ereignisse und waren somit unmittelbar politisch tätig. Die UBG setzte sich aktiv für die Freilassung von Walter Reder, einem ehemaligen SS-Obersturmbannführer, der für ein Massaker in der italienischen Ortschaft Marzabotto verantwortlich war und dafür 1951 in Bologna zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, ein. Karl Semmelrock entbot 1969 im Namen der UBG "[...] dem letzten österreichischen Gefangenen Major Walter Reder ihren Gruß" (zit. n. Rencher 1999, 54) und 1974 hielt der evangelische Heimkehrer-Pfarrer Ernst Hildebrandt einen flammenden Appell für dessen Heimkehr:
"[W]enn alle Völker unter dem Kreuz stünden, gäbe es keine Kriegsgefangenen, dann wäre auch Major Walter Reder frei und dann würden nicht nur die Sieger recht haben, dann gäbe es Versöhnung." (Zit. n. Rencher 1999, 67)

Allen Ernstes bezeichnete die UBG einen verurteilten Kriegsverbrecher als den letzten österreichischen Kriegsgefangenen. Im Jahr 1985 wurde Walter Reder aus der Haft entlassen und bei seiner Einreise nach Österreich vom damaligen Verteidigungsminister Friedhelm Frischenschlager mit Handschlag in Empfang genommen, was sogar in Österreich ein Skandal war. Im gleichen Jahr dokumentierte Norbert Rencher die Enttäuschung darüber, dass Walter Reder wider Erwarten nicht zur Ulrichsbergfeier kam (Rencher 1999, 117).(16)

In den Reden wurde auch nicht mit Tipps für die Weltpolitik im Allgemeinen und die österreichische Innenpolitik im Speziellen gespart(17):
"Man muss denen, die hungern, den Hunger stillen helfen, man muss denen, die arm sind, so viel geben, dass sie wenigstens bescheiden leben können, dann wird der Terrorismus auch sich nicht so selbstverständlich entwickeln können."(18)
"Friede und Freiheit haben ihren Preis, und darum JA zu unserem Bundesheer."(19)

Zudem werden der "moralische[n] Niedergang der Menschheit" und das "schrankenlose Streben nach Luxus, Wohlergehen und Bequemlichkeit"(20) beklagt und über die Geißeln der Gegenwart geschwafelt: "Lassen wir uns nicht vom Materialismus überrollen".(21) Auch die Jugend wird vielfach angesprochen und versucht, ihr anstatt von "langhaarigen Perversen" und "haltlosen Figuren", die ihr nicht als Vorbilder dienen sollten(22), die soldatischen Tugenden – "Kameradschaft, Pflichttreue und Heimatliebe bis zum Tode!" – als Werte zu vermitteln.

Zudem wurden jegliche Protestveranstaltungen gegen das Ulrichsbergtreffen kritisiert und die beteiligten Aktivist_innen diskreditiert, lächerlich gemacht und gleichzeitig bedroht. Die Palette reichte von "Polithexe" bis zu "[...] wir rechnen ab mit diesen Menschen".(23) Den verbalen Drohungen durch die UBG folgten nicht nur einmal tätliche Attacken von Neonazis auf protestierende Antifaschist_innen, beispielsweise wurde bei den Antifaschistischen Aktionstagen 2005 der Infostand angegriffen und 2008 in Krumpendorf/Kriva vrba wurden Aktivist_innen verprügelt.

Zum Abschluss der Feierlichkeiten wurde traditionell entweder das Kärntner Heimatlied oder das Soldatenlied Ich hatte einen Kameraden angestimmt und sowohl vor dem Stahlkreuz als auch im "Ehrenhain" Kränze abgelegt. Die Kranzniederlagen wurden immer von Soldaten des Österreichischen Bundesheeres begleitet und die abgeworfenen Kränze durch eine Ehrenwache behütet.

Einige Tagesordnungspunkte wurden im Laufe der Jahre verändert. Unter anderem schrammten die von den Kameraden aus ganz Europa überbrachten Grußbotschaften immer wieder knapp an einer nationalsozialistischen Wiederbetätigung vorbei, sodass diese unter dem Druck der Staatspolizei zuerst zensuriert und dann endgültig abgeschafft wurden. Ebenso wurde, um den Gegner_innen der Ulrichsbergfeier eine Angriffsfläche weniger zu bieten, das so genannte Muldensingen, bei dem sich insbesondere die Kameraden der K IV zusammenfanden, um alte Soldatenlieder zu singen, aufgegeben.

Kameradschaftsabend in Krumpendorf/Kriva vrba
Neben der Feier am Ulrichsberg bildeten die Kameradschaftsabende, insbesondere der "Krumpendorfabend"(24), der von der K IV maßgeblich mit organisiert wurde, einen zentralen Bestandteil der Ulrichsbergfeierlichkeiten. Während die UBG bei der öffentlichen Bergfeier um Mäßigung bemüht war, fand hinter verschlossenen Türen eine Feier der anderen Art statt, die dem Gedankenaustausch zwischen Alt und Jung, (Waffen-)SS-Veteranen sowie deren Angehörigen und Nachfahren im Geiste, den Neonazis, diente. Trotz aller Sicherheitsmaßnahmen gelangten nicht nur einmal Bilder und Tondokumente dieses Treffens in die Öffentlichkeit. Außerdem waren in einschlägigen Nazi-Foren immer wieder begeisterte Berichte über die gelungene "Völkerverständigung" beim Treffen der "Europäischen Patrioten" zu lesen. Euphorisch berichtet wurde in diesem Zusammenhang vor allem über die ehrlichen Gespräche zwischen Jungen und Alten mit den ehemaligen Soldaten, vor allem den Europäischen Freiwilligen [Code für SS-Männer, Anm.], und den Austausch von unverfälschten Informationen. Auch Autogrammjäger, die auf der Suche nach ehemaligen Soldaten der (Waffen-)SS waren, kamen stets auf ihre Rechnung.

Am bekanntesten von den legendären Krumpendorftreffen ist wohl jener Abend im Jahr 1995, an dem Jörg Haider in seiner Rede vor ehemaligen (Waffen-)SS-Mitgliedern und Ritterkreuzträgern behauptete, sie hätten sogar eine Vorbildfunktion für die Jugend, weil sie "anständige Menschen" geblieben sind,

"[...] die einen Charakter haben und die auch beim größten Gegenwind zu ihrer Überzeugung stehen und ihrer Überzeugung bis heute treu geblieben sind."(25)

Diese Aussage rehabilitiert pauschal die Generation der Kriegsteilnehmer und Kriegsverbrecher, spricht sie von aller Schuld frei und macht sie zu ehrenwerten Mitgliedern der Gesellschaft.

Unter den Anwesenden befanden sich Gudrun Burwitz, Tochter von Reichsführer-SS Heinrich Himmler, Otto Kumm, der letzte Kommandant der SS-Leibstandarte Adolf Hitler, der dänische Kriegsverbrecher Soeren Kam und SS-Offiziere wie Peter Timm von der berüchtigten SS-Sturmbrigade Dirlewanger oder Henri Moreau von der SS-Division Wallonie (Scharsach/Kuch 2000, 25).

Gudrun Burwitz ist der Ideologie ihres Vaters und dem Nationalsozialismus immer verbunden und in der Szene aktiv geblieben. Zum Beispiel ist sie seit 1951 im Verein Stille Hilfe tätig, der sich die (juristische) Unterstützung und Betreuung inhaftierter, verurteilter oder flüchtiger ehemaliger (Waffen-)SS-Mitglieder und (mutmaßlicher) NS-Kriegsverbrecher zur Aufgabe gemacht hat. Außerdem war sie Funktionärin der Wiking-Jugend, die nach dem Vorbild der Hitlerjugend organisiert und ideologisch ausgerichtet war und 1994 wegen Verfassungsfeindlichkeit verboten wurde.

Otto Kumm(26) war SS-Brigadeführer, Generalmajor der Waffen-SS und letzter Kommandant der SS-Leibstandarte Adolf Hitler. Im März 1938 wurde Otto Kumm Kompaniechef der in Klagenfurt/ Celovec stationierten SS-Standarte Der Führer und nahm mit dieser 1939 am Überfall auf Polen teil. Für seine zahlreichen erfolgreichen Kampfeinsätze erhielt er das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes mit Eichenlaub und Schwertern. Otto Kumm gilt als einer der Mitbegründer der Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS e.V. (HIAG), die 1951 als "Traditionsverband" in Deutschland gegründet wurde. Eines der erklärten Ziele der HIAG war (und ist) eine Durchsetzung der gesellschaftlichen und juristischen Wahrnehmung der Angehörigen der (Waffen-)SS als normale Soldaten. Die HIAG wurde zeitweilig als rechtsextremistisch vom Verfassungsschutz beobachtet und war bei der Bevölkerung und in Medien ab den 1960er Jahren zunehmend umstritten. Der Bundesverband löste sich 1992 auf, regionale Organisationen existierten aber vereinzelt weiter.

Soeren Kam, ein in Dänemark zu lebenslanger Haft verurteilter ehemaliger SS-Freiwilliger, gehört wie Otto Kumm in die Reihe der mit dem Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes Ausgezeichneten. Mit Otto Kumm hat er außerdem gemeinsam, dass er ebenfalls zeitweilig in Klagenfurt/Celovec stationiert war, nämlich zur Ausbildung in der schon erwähnten SS-Junkerschule, die sich in der heutigen Lendorf/ Dhovše-Kaserne befand.

Unter den Gäst_innen der Krumpendorfabende war auch die enge Freundin von Gudrun Burwitz, und wie diese Unterstützerin der Stillen Hilfe, Florentine Rost van Tonningen(27) zu finden. Florentine Rost van Tonningen war seit ihren Jugendjahren bekennende Nationalsozialistin und unterstützte bereits in den 1930er Jahren die nationalsozialistische Bewegung in den Niederlanden. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie wegen Kollaboration angeklagt und zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Ihre Villa in den Niederlanden, die sie Anfang der 1950er Jahre nach ihrer Haftentlassung bezog, war jahrelang eine Art Wallfahrtsort für Rechtsextreme, Alt- und Neonazis, Revisionist_innen und Holocaustleugner_innen, die sie als Idol verehrten. Zeit ihres Lebens hielt sie an der NS-Ideologie des Antisemitismus, Rassismus, Sozialdarwinismus und des Führerkults fest – eine Nazi-Ikone im wahrsten Sinn des Wortes.

Als einer der prominentesten Referenten aus der rechtsextremen Szene war auch Jürgen Rieger(28) einmal angekündigt. Über Jürgen Rieger ließen sich ganze Bücher schreiben, deshalb sei hier nur gesagt, dass er der Hauptorganisator und Initiator des Rudolf-Hess-Gedenkmarsches in Wunsiedel war, 1969 dem Bund Heimattreuer Jugend beitrat, Funktionär der NDP und der 1994 verbotenen Wiking-Jugend, Vorstand der Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung(29) und prominenter Anwalt in zahlreichen Prozessen gegen Neonazis war. Nicht zuletzt wurde er in zahlreichen Strafverfahren wegen Körperverletzung und wegen Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole und Verhetzung – teilweise allerdings nur zu Geldstrafen – verurteilt.

Im Jahr 2000 versuchte der Vorsitzende des Kameradenwerkes Korps Steiner, Kurt Meyer, einmal mehr, den deutschen Angriffs- und Vernichtungskrieg umzudeuten:
"Ohne unsere Soldaten der Waffen-SS würde es heute kein freies Europa geben. Wir wären vom Kommunismus-Bolschewismus überrollt worden. Bekennen wir, dass unsere damalige Regierung den Mut hatte, 1941 den Befehl zum Vormarsch zu geben. Das war kein Leichtsinn. Es war die letzte Rettung Europas." (Zit. n. Neues von ganz rechts – Oktober 2000; www. doew.at)

Welcher Geist in Krumpendorf/Kriva vrba weht, zeigt auch ein im Jahr 2000 dort verteiltes Flugblatt:
"Ich bewundere Adolf Hitler von Tag zu Tag mehr. Der Mann hat zwölf Jahre regiert. Er hat mehr als fünf Jahre Krieg geführt, davon drei Jahre äußerst erfolgreich! Und das mit einem Volke, welches zu einem Drittel emigriert war, zu einem Drittel im Konzentrationslager saß und zu einem Drittel wütenden Widerstand leistete. Das soll dem Mann einmal erst einer nachmachen." (Zit. n. Neues von ganz rechts – Oktober 2000; www.doew.at)

In diesem illustren Personenkreis von ehemaligen Mitgliedern der (Waffen-)SS und deren Unterstützer_innen, von verurteilten und mutmaßlichen Kriegsverbrechern, deren Geisteskindern und deren Helfeshelfer_innen, von Alt- und Neonazis fallen Gäste mit einem auf die Finger tätowierten "Sieg Heil" nicht einmal mehr auf.

Epilog
"Direktor Dr. Gernot Piccotini des Kärntner Landesmuseum schreibt im Nachwort der wissenschaftlichen Broschüre 'Der Ulrichsberg, ein heiliger Berg Kärntens': 'Die Kärntner Ulrichsberg-Gemeinschaft hat im Jahre 1959 die Ruine der Kirche St. Ulrich durch Konservierung nicht nur vor dem weiteren Verfall bewahrt, sondern durch die Ausgestaltung der Kirchenruine und ihrer Umgebung zu einer würdigen Gedenkstätte für die Opfer beider Weltkriege, des Kärntner Abwehrkampfes sowie für die Opfer des Luftkrieges in der Heimat und die der Volksdeutschen, auch zur Fortsetzung der sakralen Tradition auf dem Ulrichsberg bis in die Gegenwart, beigetragen.'" (Zit. n. Rencher 1999, 8)

Nachdem 2009 der damalige Obmann der UBG, Wolf Dieter Ressenig im Internet Nazi-Devotionalien anbot, wurde dem Österreichischen Bundesheer von Verteidigungsminister Norbert Darabos per Dekret die Teilnahme an der Ulrichsbergfeier untersagt. Wie viel Vorarbeit nötig war, um einen Verteidigungsminister dazu zu bringen, dieses Verbot auszusprechen, wird im Artikel Bundesheer im Rückzugsgefecht geschildert. Alles zusammen löste in der UBG gröbere Turbulenzen aus und so sah sie sich dazu gezwungen, ihre lange geplante 50-Jahr-Feier abzusagen. Im Stadtsaal von Krumpendorf/ Kriva vrba fand 2009 auch keiner der legendären Kameradschaftsabende statt, dennoch gibt es Hinweise darauf, dass es in anderen Räumlichkeiten dementsprechende Treffen gab.

kuessel Während die UBG nur noch um Schadensbegrenzung bemüht war, beschloss die FPÖ kurzerhand, sich den Ulrichsberg nicht nehmen zu lassen. Sie rief daher 2009 zu einer Kranzniederlage und Feier im engsten Kreis auf, zu der neben Mitgliedern der FPÖ einschlägig bekannte Neonazis, beispielsweise der wegen Wiederbetätigung rechtskräftig verurteilte Neonazi Gottfried Küssel, auftauchten. Die UBG selbst distanzierte sich bereits im Vorfeld von dieser Feier, weil diese nicht ihren Vorstellungen und Traditionen entsprach, konnte sie jedoch nicht verhindern.

Ein Jahr nach der Absage der 50-Jahr-Feier trat die personell umstrukturierte UBG 2010 neuerlich auf den Plan und organisierte wieder eine Feier, diesmal jedoch nicht am Ulrichsberg, sondern am Zollfeld beim Herzogstuhl.
Wie sich dieser Spuk weiterentwickeln wird und ob und wann die beschworene Gegenwart möglicherweise zur Vergangenheit wird, bleibt abzuwarten. Der Einschätzung der Zukunft der Ulrichsbergfeier ist am Ende dieses Buches ein eigener Beitrag gewidmet: Das Echo auf den Ruf des Ulrichsbergs.

Weitere Fotos von den Tafeln und dem Ehrenhain: Recherche zum Ehrenhain

Fußnoten
(1) Ulrichsberg-Dokumentation Nr. 1 (1999), verfasst von Norbert Rencher. Norbert Rencher, der ursprünglich zu 25 Jahren Haft verurteilt wurde, zählte sich 1953 zu den glücklichen "Heimkehrern" und wurde sowohl im Heimkehrerverband tätig als auch aktives Mitglied der Gesellschaft zur Errichtung eines Ehrenmales auf dem Zollfeld, der späteren Ulrichsberggemeinschaft (UBG). In der UBG bekleidete er über die Jahre verschiedene Ämter, insbesondere als Organisator der Ulrichsbergfeier und Schriftführer des Vereins. Als Chronist der UBG gab er 1999 die erste (und bisher letzte) Ulrichsberg-Dokumentation heraus.
(2) Jörg Haider, Landeshauptmann von Kärnten, 1990
(3) Rudolf Gallob, Präsident der UBG, 2005
(4) Blasius Scheucher (1911-1962) war während des Zweiten Weltkrieges Gebirgsjäger und Mitbegründer der Gebirgsjägerkameradschaft Kameradschaft vom Edelweiß. Er war einer der Hauptinitiatoren der Gründung der Gesellschaft zur Errichtung eines Ehrenmales auf dem Zollfeld, der späteren Ulrichsberggemeinschaft (UBG), und bis zu seinem Tod deren Obmann. Außerdem machte er in der ÖVP zuerst als Stadtrat und von 1950 bis 1962 als Vizebürgermeister von Klagenfurt/Celovec politische Karriere.
(5) Im Lauf ihrer Geschichte hat die heutige Ulrichsberggemeinschaft öfter ihre offizielle Vereinsbezeichnung geändert (vgl. Fanta/Sima 2003).
(6) Die UBG selbst definiert das Jahr 1959 als den Start der jährlichen Feierlichkeiten, nimmt aber zeitweise auch Bezug auf das Jahr der Grundsteinlegung, somit hatte die UBG 2008 und 2009 einen 50er zu feiern.
(7) Wie hoch das Stahlkreuz tatsächlich ist, ist nebensächlich; der Korrektheit wegen sei erwähnt, dass die Angaben zwischen 20, 23 oder auch 24 Metern schwanken.
(8) Näheres zur K IV siehe S. 87
(9) o. A.: Alte Kameraden. In: Blick nach rechts, Nr. 27, 21.12.1992; vgl. auch Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke und GenossInnen vom 22.9.1993 im deutschen Bundestag, S. 2
(10) Zusammengefasste Informationen von: DÖW, Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands. "Kameradschaft IV (K IV)/Die Kameradschaft", www.doew.at
(11) z. B. Hans Sima, 1969; Leopold Wagner, 1974, 1980, 1984; Christoph Zernatto, 1991, 1998; Jörg Haider, 1985 (als Landesrat), 1990, 2000
(12) z. B. Karl Schleinzer, 1961, 1962, 1963; Robert Lichal, 1989; Werner Fasslabend, 1995
(13) z. B. Anton Holzinger, 1959, 1966; Julius Grund, 1975; Gerd Ebner, 1997
(14) Claudia Fräss-Ehrfeld, 2003; die Historikerin war die einzige Frau, die jemals die Festrede halten durfte.
(15) z. B. Fritz Schretter, 2006
(16) Walter Reder nahm zwar nicht 1985, aber 1988 und 1989 an der Ulrichsbergfeier teil und wurde in Krumpendorf/Kriva vrba als Ehrengast herumgereicht (vgl. Fanta/Sima 2003).
(17) Alle folgenden Zitate (abgesehen von Rudolf Gallob) zit. n. Rencher 1999
(18) Rudolf Gallob, Präsident der UBG, 2005; vollständiges Transkript der Rede
(19) Stefan Knafl, Landeshauptmann-Stellvertreter von Kärnten, 1983
(20) Militärdekan Felix Mayer, 1980
(21) Karl Semmelrock, 1969
(22) Karl Semmelrock, 1969
(23) Rudolf Gallob, 2005
(24) Der Ort Krumpendorf/Kriva vrba befindet sich nur wenige Kilometer außerhalb von Klagenfurt/Celovec direkt am Wörthersee/Vrbsko jezero.
(25) Im Originalton dokumentiert durch eine Videoaufnahme des Hamburger SS-Veteranen Franz Schmitz, der die Veranstaltung für bettlägerige Kameraden, die sich die Reise nach Klagenfurt nicht mehr zumuten wollten, filmte. Krumpendorf/Kriva vrba, 30.9.1995 (Scharsach/Kuch 2000, Fußnote 17)
(26) Otto Kumm (1909-2004)
(27) Florentine Sophie (Florrie) Rost van Tonningen (1914-2007)
(28) Jürgen Hans Paul Rieger (1946-2009)
(29) Bis 1972: Deutsche Gesellschaft für Erbgesundheitspflege [sic!]

Literatur
Berger, Florian (2003). Ritterkreuzträger im Österreichischen Bundesheer 1955-1985. Wien
Fanta, Walter/Sima, Valentin (2003). Stehst mitten drin im Land. Das europäische Kameradentreffen am Kärntner Ulrichsberg von seinen Anfängen bis zur Gegenwart. Drava Verlag, Klagenfurt/Celovec
Rencher, Norbert (1999). Ulrichsberg-Dokumentation Nr. 1. Klagenfurt
Scharsach, Hans-Henning/Kuch, Kurt (2000). Haider – Schatten über Europa. KiWi Paperback – Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln
Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus. 2. Auflage 1993. Hrsg. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (vergriffen; liegt im DÖW auf)